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Vis-à-vis

Interview
Vis-à-vis
mit Tristan Kobler

"Schönheit ist in der Architektur ein Mehrwert, der Allen zugutekommt."
Tristan Kobler redet über seine gegenwärtigen Projekte, seine Auffassung von Architektur, sowie deren Möglichkeiten und Grenzen.

 

MODULØR: Welche Aufgaben beschäftigen Sie gerade?

Tristan Kobler: Barbara Holzer und ich sind mit unseren zwei Büros in Zürich und Berlin an

grossen und kleinen Projekten im Bereich Ausstellungen und Architektur in unterschiedlichsten

Bearbeitungsstufen beschäftigt. Dies reicht von Wettbewerben bis zur Fertigstellung und zum letzten Schliff bei Ausstellungen und Bauten.

MODULØR: Welches architektonische Werk hat Sie kürzlich begeistert?

TK: Das Hotel Waterhouse beim South Bund in Shanghai der Architekten Neri & Hu Design and Research Office.

MODULØR: Inwiefern unterstützen oder behindern neuartige Materialien die Architektursprache?

TK: Neuartige Materialien ermöglichen eine neue Architektursprache. Diese zu finden, braucht aber, wie die Architekturgeschichte zeigt, oft Zeit. Das Potenzial eines neuen Baumaterials braucht das dafür geeignete Projekt und natürlich den Mut der Bauherrschaft wie der ausführenden Firmen, das Material einzusetzen. Die Neuartigkeit eines Materials ist an sich für die Architektur nicht relevant. Ein Material unterstützt oder behindert nicht eine Architektursprache. Es kann nur falsch oder richtig eingesetzt werden oder "falsch" und gerade deshalb überraschend wirken. Beispielsweise wurde bei den antiken griechischen Tempeln der Stein der Holzbauweise angepasst. Doch dank dieser aus modernistischer Sicht falschen Bauweise wurden solche Bauten überhaupt überliefert.

MODULØR: Haben Sie eine Idee von Schönheit?

TK: Schönheit strahlt aus und betört die Sinne. Schönheit hat was Absolutes, das ich empfinden, aber nur schwer beschreiben kann. Schönheit ist auch ein Mehrwert in der Architektur, die losgelöst von Brauchbarkeit, Kosten oder Nutzen allen zugutekommt. Wenn ich Schönheit aber definieren wollte, so würde ich sie entzaubern.

MODULØR: Wann wird ein Gebäude zu Architektur?

TK: Architektur ist ein weiter Begriff, der alle Arten von Gebäuden, inklusive schlechter Architektur schlucken kann.

MODULØR: Welche Tugenden sollte ein Architekt erfüllen?

TK: Als Architekt ist man auch Mensch, und wie alle Menschen sollten auch Architekten möglichst alle Tugenden erfüllen.

MODULØR: Welche Rolle spielt der Architekt in der Gesellschaft?

TK: Es existieren zwei Arten von Architekten: Dienstleister und Baukünstler. Beide denken, planen und realisieren schlussendlich ein kulturelles Gebilde, das menschengemacht ist. Die Ersteren versuchen eher die Wünsche eines Kunden zu befriedigen, die anderen versuchen trotz Kunden befriedigende Bauten zu realisieren. Die Ersteren sind beliebt, da gut zu steuern, die Zweiten werden als selbstverliebt abgestempelt. Bei guten Resultaten werden Architekten gerne auch als Kulturmenschen vorgeführt. Als Quersumme beider Arten wird die Architektur gerne als Spiegel der Gesellschaft gesehen.

MODULØR: Welche Rolle sollte heute die Politik gegenüber der Architektur spielen?

TK: Die Politik sollte es anstreben, kulturelle Werte wie zum Beispiel die Architektur höher als Parteipolitik zu gewichten. Sie sollte den Wert spezieller Architektur als Gelegenheit der Manifestation des Selbstwertes einer Gemeinschaft nicht unterschätzen. Ihre Rolle ist daher, aussergewöhnliche Bauten, die von der öffentlichen Hand finanziert werden, als Ziel zu deklarieren und diese dann mit der Politikern eigenen Überzeugungskraft zu fördern.

MODULØR: Kann Architektur die Welt verbessern?

TK: Selbstverständlich. Wenn die gebaute Umgebung das Resultat verschiedener Architekturen ist und Zorn oder Frustration oder gar soziale Probleme verursachen kann, kann sie auch das Gegenteil – dies allerdings nie losgelöst vom politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Kontext.

Credits

© Jan Bitter